Geschichte
Ober-Flörsheim - ein geschichtlicher Überblick
Das Dorf Ober-Flörsheim liegt im Südwesten des Kreises Alzey-Worms an einem Hochplateau und ist von Weinbergen und Feldern umgeben. In seiner Gemarkung finden sich Spuren menschlicher Siedlungen, die bis in die Jungsteinzeit (ca. 2000 v. Chr.) zurückreichen.
Ein Dorf namens Fletersheim im Wormsgau wird erstmals 768 im Schenkungsverzeichnis des Klosters Lorsch erwähnt, wobei unklar ist, ob es sich um Ober- oder Nieder-Flörsheim handelt. Acht Jahre später ist erstmals von Ober-Flörsheim (Flarlesheim superiori) im gleichen Verzeichnis die Rede.
Ober-Flörsheim und der Deutsche Orden
Die Geschichte Ober-Flörsheims war von 1237 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, also über 550 Jahre, eng mit der des Deutschen Ordens verknüpft. Mitunter findet sich daher die Bezeichnung "Herren-Flersheim" in den Quellen.
Der Deutsche Orden wurde als Hospitalorden im Jahre 1190 während des dritten Kreuzzuges im Heiligen Land von Kreuzfahrern aus norddeutschen Hansestädten gegründet. Zunächst widmete er sich der Betreuung von hilfesuchenden und verletzten Kreuzfahrern. Bereits acht Jahre später wurde der Hospitalorden in einen Ritterorden umgewandelt und von Papst Innozenz III. als solcher feierlich bestätigt. Im 13. Jahrhundert breitete sich die Gemeinschaft rasch aus. Um 1300 zählte man europaweit zwölf Balleien, zu denen rund 300 Kommenden (Niederlassungen) gehörten.
Der Grundstein der Kommende Flersheim wurde 1237 gelegt. Damals verkaufte der Abt des Klosters Hugshofen im Elsaß der Ballei (Ordensprovinz) Hessen mit Sitz in Marburg seinen Besitz zu Ober-Flörsheim, bestehend aus Pfarrhof, Fronhof und Kirchsatz, für 850 Mark Silber. Weitere Privilegien wurden vom Reichsoberhaupt, den Pfalzgrafen und anderen Adeligen gewährt. Im heutigen Unterdorf entstand ein mit Toren und Mauern versehener Kommendenbezirk (Kom[men]turei), dessen Besitzungen sich in den folgenden Jahrhunderten durch weitere Käufe beträchtlich vergrößerte. Ein Torturm aus dem frühen 15. Jahrhundert ist bis heute Wahrzeichen Ober-Flörsheims.
An der Spitze der Kommende stand der Komtur, dem mehrere Ritterbrüder mit unterschiedlichen Aufgabenbereichen zugeordnet waren. Die Bedeutung der Kommende Flersheim für die Ballei Marburg lag vor allem im Weinbau, da ihre anderen Besitzungen sich in Mittel- und Nordhessen sowie in Thüringen befanden. Wein wurde zum einen für den Orden selbst erzeugt, ein weiterer Teil des Ertrags wurde per Schiff über den Rhein und Main nach Frankfurt gebracht und dort verkauft.
Neben einer Ordenskapelle in der Kommende besaß Ober-Flörsheim eine den Aposteln Petrus und Paulus geweihte Pfarrkirche. Das Patronat hierzu hatte im Mittelalter der Orden inne, Priesterbrüder feierten täglich die heilige Messe.
Verwaltungsmäßig gehörte Ober-Flörsheim seit 1506 zur Kurpfalz und war dem Oberamt Alzey zugeordnet. Das mit einem Schultheißen und sechs Schöffen besetzte Dorfgericht verwaltete das Dorf und sprach Recht bei Streitigkeiten. 1556 wurden in einem ausführlichen Weistum die Rechte und Pflichten von Kurpfalz, der Gemeinde und der Kommende festgelegt. Auch nach Einführung der Reformation im gleichen Jahr blieb Ober-Flörsheim weiterhin Pfarrort.
Das siebzehnte Jahrhundert war von kriegerischen Auseinandersetzungen geprägt. Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Kommende 1631 von schwedischen Truppen verwüstet. Auch das Dorf wurde schwer in Mitleidenschaft gezogen, ebenso während der Pfalzverwüstung durch die Truppen des französischen Königs Ludwigs XIV. im Jahr 1689.
Katholischer Gottesdienst wurde 1698 wieder eingeführt und zunächst von Kapuzinerpatres aus Alzey versehen. Die Mehrheit der Bevölkerung blieb jedoch reformiert, weiterhin bildete sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts eine kleine lutherische Gemeinde. Bei der Pfälzer Kirchenteilung 1705 wurde den zwischenzeitlich nach Flomborn gepfarrten Reformierten der Besitz der Pfarrkirche bestätigt. Dagegen legte der Deutsche Orden Protest ein und bekam nach mehreren Jahrzehnten recht. Während des Streits war die Kirche so baufällig geworden, dass sie abgerissen und 1776-1783 neu erbaut wurde. Die Reformierten hielten Gottesdienste in einem Schul- und Bethaus in der Weedegasse 6 ab. Die Lutheraner erbauten sich 1747 eine kleine Kirche in der Hauptstraße.
Die älteste Beschreibung unseres Dorfes und seiner Geschichte wurde 1787 von Johann Goswin Widder verfasst. Damals zählte Ober-Flörsheim 516 Einwohner, 3 Kirchen, 2 Konfessionsschulen und 102 Häuser. Zur Gemarkung gehörten 2916 alte Morgen Äcker, 15 Morgen Weinberge, 6 Morgen Gärten und 7 Morgen Wald. Der weitaus größte Grundbesitzer war mit 1482 Morgen der Deutsche Orden. Ein weiterer ansehnlicher Komplex war mit 500 Morgen das Otterberger Hofgut, welches zur geistlichen Administration der Kurpfalz gehörte. Seit dem 18. Jahrhundert enthielt das Siegel des Dorfgerichtes eine stilisierte Lilie, die auf den 1700 verstorbenen Komtur Johann Adolf Langwerth von Simmern zurückgeht. Sie ist Vorbild für das heutige Ortswappen.
Ober-Flörsheim von der Französischen Revolution bis zum Zweiten Weltkrieg
Nach dem Ausbruch der Französischen Revolution setzten für Ober-Flörsheim ebenso wie für den übrigen linksrheinischen Raum wiederum unruhige Zeiten ein. In den Revolutionskriegen war unsere Region zwischen 1792 und 1795 zwischen Franzosen und Preußen umkämpft. Die Bevölkerung musste die Truppen versorgen, was eine hohe Belastung darstellte.
Im Rahmen der Kämpfe kam es am 30. März 1793 zu einem Gefecht bei Ober-Flörsheim, bei dem die Preußen siegten. An späteren Kämpfen war der damalige Oberst Blücher mit seinen Roten Husaren beteiligt, der zwei Jahrzehnte in den Befreiungskriegen gegen Napoleon später als "Marschall Vorwärts" ein deutscher Volksheld des 19. Jahrhunderts wurde.
Nach dem endgültigen Einmarsch der Franzosen wurde Ober-Flörsheim wie alle deutschen Gebiete links des Rheins 1797 von Frankreich annektiert. Ein Jahr später wurde das Dorf Teil des Kantons Pfeddersheim im Departement Donnersberg (Mont Tonnerre). Der Anschluss an Frankreich brachte den Einwohnern der Gemeinde weitgehende Freiheiten. Hierzu gehörten bürgerliche Rechte wie Gleichheit vor dem Gesetz, Gewerbefreiheit und die Zivilehe.
Die Güter des Deutschen Ordens wurden vom Staat eingezogen und 1806 an Ober-Flörsheimer Bauern versteigert, die diese Flächen oft schon über Jahrzehnte in Erbpacht hatten. Zahlreiche Ober-Flörsheimer dienten unter den Fahnen Napoleons, einige kehrten nicht zurück.
Nach der Niederlage des französischen Kaiserreiches wurde auf dem Wiener Kongress der Raum zwischen Bingen, Mainz, Alzey und Worms dem Großherzog von Hessen-Darmstadt zugesprochen.
1816 wurde die Provinz Rheinhessen gebildet, Ober-Flörsheim lag unmittelbar an der Grenze zur bayerischen Pfalz und wurde Sitz eines bis 1832 bestehenden Nebenzollamtes II. Klasse. 1820 wurde unter Bürgermeister Johannes Dettweiler das Rathaus in schlichtem klassizistischem Stil errichtet. In den kommenden Jahrzehnten wuchs die Dorfbevölkerung stark an. Hatte Ober-Flörsheim 1815 851 Einwohner, so betrug sie 1849 1223 Personen, ein Höchststand, der seitdem nie mehr erreicht wurde. Insbesondere im oberen Teil des Dorfes entstanden zahlreiche neue Gebäude auf bisher unbebauten Flächen. Das starke Bevölkerungswachstum führte zu Landknappheit und Beschäftigungsmangel, so dass mehr als 200 Ober-Flörsheimer vor allem in der Mitte des Jahrhunderts nach Nordamerika auswanderten.
Zwischen 1850 und dem Ersten Weltkrieg verbesserte sich die Infrastruktur Ober-Flörsheims deutlich. Eine Apotheke wurde 1858 eröffnet, 1891 erhielt das Dorf eine Postagentur. Seit 1908 verfügt die Gemeinde über fließendes Wasser, seit 1911 über elektrischen Strom.
1876 traten zahlreiche Evangelische aus der Landeskirche aus und gründeten eine theologisch liberal gesinnte Freiprotestantische Gemeinde, die zeitweise großen Zulauf hatte. Wenige Jahre nach einer Brandstiftung in der evangelischen Kirche wurde 1887/88 an gleicher Stelle ein neugotisches Gotteshaus erbaut, das eine Orgel des berühmten Handwerkers Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder beherbergt. 1901 wurde zum Gedenken an die Teilnehmer des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 ein Kriegerdenkmal durch den 1866 von Ober-Flörsheim nach Milwaukee/USA ausgewanderten und dort zu Wohlstand gelangten Fabrikanten Sebastian Walter eingeweiht, das seither den Platz vor dem Rathaus prägt.
In den beiden Weltkriegen blieb Ober-Flörsheim von Kriegseinwirkungen weitgehend verschont. Es fielen jedoch 125 Männer aus der Gemeinde. Ihre Namen sind auf dem Gefallenenehrenmal auf dem Friedhof zu finden. 1927 wurde eine Turnhalle erbaut, die heute als Gemeindehalle dient.
Unser Dorf seit 1945
Am 20. März 1945 besetzten amerikanische Truppen Ober-Flörsheim, die im Sommer durch Franzosen abgelöst wurden. 1946 fand nach langen Jahren die erste freie Wahl statt, bei welcher der Landwirt Albert Stauff zum Bürgermeister gewählt wurde. Ein Jahr später wurde Ober-Flörsheim mit Rheinhessen dem neuen Land Rheinland-Pfalz einverleibt.
Nach der Währungsreform 1948 setzte eine stürmische technische Entwicklung ein. Vor dem Kriege hatte es nur wenige landwirtschaftliche Zugmaschinen im Dorf gegeben. Die Abwanderung der Taglöhner und des Gesindes brachte es mit sich, dass die Landwirte unter großem Aufwand ihre Betriebe stark mechanisierten. Wie seit eh und je wird auf dem fruchtbaren Boden unserer 1063 ha großen Gemarkung Acker- und Weinbau betrieben. Die Viehzucht wurde in den 1970er Jahren aufgegeben. Seit 1972 gehört Ober-Flörsheim zur Verbandsgemeinde Alzey-Land.